Aragorn! – Elegie für einen Antagonisten

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Über offene Feindschaft und ihre Grenzen

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Am 13. Februar 2020 ist der langjährige Anarchist Aragorn! verstorben. Als unermüdlicher Polemiker hat Aragorn! viel anarchistische Infrastruktur aufgebaut und aufrechterhalten und dafür nie Anerkennung beansprucht.

Wenn wir die Arbeit von Aragorn! über die Jahre hinweg verfolgen, können wir mit frühen Zines wie Oppression Song und ATR(After the Revolution) beginnen. Aus der veganen Straight-Edge-Hardcore-Szene kommend, veröffentlichte er Rezensionen in Maximum RocknRoll und HeartattaCk; er trug zu Anarchy: A Journal of Desire Armed und Green Anarchy, den Flaggschiffen der »post-linken« Theorie bzw. der grünen anarchistischen Agitation bei, und half bei der Herausgabe des letzteren. Er gründete auch das anarchistische Nachrichtenportal anarchistnews.org.

Aragorn! half dabei Ardent Press zu gründen, das sich zu dem Verlags- und Distributionsprojekt Little Black Cart erweiterte. Er half dabei, eine Reihe von Zeitschriften zu starten, darunter Attentat und Black Seed. Er war an einer Vielzahl von Podcasts beteiligt, vom frühen TCN Radio bis zum neueren Anews-Podcast, Anarchy Bang und dem Brilliant. Er hostete unzählige Webseiten für andere anarchistische Projekte aus den unterschiedlichsten Strömungen.

Als junger Mensch war Aragorn! Teil des Kollektivs, das das Che Café unterhielt, ein seit Jahrzehnten bestehender autonomer Raum in San Diego. Später war er am Long Haul Infoshop in Berkeley und der Berkeley Anarchist Study Group beteiligt, der wahrscheinlich am längsten bestehenden anarchistischen Lesegruppe in den USA. Zusammen mit Gefährt:innen aus diesen Kreisen half er, die jährliche BASTARD-Konferenz und die East Bay Anarchist Book Fair zu organisieren.

Zu den wichtigsten Ressourcen, die er uns hinterlässt, gehört theanarchistlibrary.org, eine weitreichende Sammlung von anarchistischen Texten (mit einem deutschsprachigem Ableger). Du kannst dort eine Auswahl seiner Arbeit finden. Ein guter Startpunkt ist sein Essay »Anarchy without Road Maps or Adjectives«, der sich auch heute noch aktuell anfühlt.

Keines der genannten Projekte war allein von ihm, aber alle zeigen die Prägung seines Ansatzes zum Anarchismus.

The Fight for Turtle Island und Boom: Introductory Writings on Nihilism, zwei Bücher bei denen Aragorn! mitwirkte.

Aragorn! trug dazu bei eine Vielzahl von umstrittenen Strömungen im anarchistischen Milieu zu fördern, während er jede von ihnen der Reihe nach kritisierte. Dazu gehören der »post-linke« Anarchismus (obwohl er zu der Überzeugung kam, dass »post-links« ein unzureichender Rahmen ist); der grüne Anarchismus (obwohl er den Anarcho-Primitivismus kritisierte); der queere Anarchismus (er half bei der Veröffentlichung der Bash Back!-Anthologie, wobei er andeutete, dass die Autor:innen nicht erkannten, dass sie es nicht geschafft hatten, dem Strahl der Identitätspolitik zu entkommen); die französische Strömung, die von Tiqqun, Aufruf und Der kommende Aufstand verkörpert wurde (obwohl er ihren US-Anhänger:innen vorwarf, eine Sekte gründen zu wollen); und den aufständischen Anarchismus der italienischen Variante (obwohl er wiederum glaubte, dass US-Anarchist:innen ihn auf seine oberflächlichsten Aspekte reduzierten). Er bezahlte für den Druck einer kostenlosen Zeitung, die alle Kommuniqués der Student:innenbesetzungsbewegung von 2009-2010 sammelte, die die Bühne für die Occupy-Bewegung bereitete, obwohl er dem neuen Trend des »anti-staatlichen Kommunismus«, der darin zum Ausdruck kam, kritisch gegenüberstand.

In den letzten Jahren hat er sich wieder dem indigenen Anarchismus zugewandt und eine Reihe von Interviews in Black Seed veröffentlicht. Seine Essays Toward a non-European Anarchism und A Non-European Anarchism bleiben wertvolle Beiträge zu diesem Thema, ebenso wie sein kürzlich erschienenes Buch The Fight for Turtle Island.

Aragorn! hat die Initiative ergriffen, um die anarchistische Kritik an einer Vielzahl von Fronten zu erweitern und zu vertiefen. Wie er über LBC sagte, »geht es bei unserem Projekt in erster Linie darum, die Botschaften anderer Leute in die Welt zu tragen.« Es gab sehr wenig, dem er uneingeschränkt zustimmte, aber er wurde von einem persönlichen Ehrgeiz angetrieben, einen blühenden Raum des Denkens und des Konflikts zu schaffen, der die bestehende Ordnung herausfordern konnte. Er sah im Konflikt selbst einen Wert, den zu verstehen wir uns schuldig sind.


Aragorn! in Athen, Griechenland, demonstriert seine Geschicklichkeit mit einem Jo-Jo.

Hardcore

Wie tausende andere rebellische Jugendliche seiner Generation wuchs Aragorn! in der Hardcore-Szene auf. Die Hardcore-Szene der 1980er Jahre basierte auf einem stark individualistischen Konzept des Subjekts, nicht unähnlich dem mittelalterlichen isländischen epischen Helden: ein grimmig unabhängiger Protagonist, der sich von einem persönlichen Ehrenkodex leiten lässt, der intensive und doch belastende Bindungen zu einigen wenigen engen Freund:innen unterhält und der ganzen Welt kühn den Krieg erklärt, ohne Hoffnung auf einen Sieg. Wenn sich das wie eine Übertreibung anhört, dann lies die Texte von Side by Side, einer von Aragorns Lieblings-Hardcore-Bands aus seiner Skinhead-Zeit. Dieses Einzelkämpfer:innen-Ethos bildete die Bühne für epische Schlachten, in denen man sich gegen Rival:innen, die Sportler:innen an der Highschool, Cops, Bosse, Nazi-Skinheads, die Notwendigkeit, seine Arbeitskraft auf dem Markt zu verkaufen, und andere Ungeheuerlichkeiten beweisen konnte – nicht, um das Ende ihrer Herrschaft herbeizuführen, sondern um etwas außerhalb von ihnen zu verkörpern.

Aragorn! und Freund:innen bei einer Punk-Show 1989.

Einige, die in dieser Szene aufgewachsen sind, blieben individualistisch und waren folglich isoliert und besiegt; wenn es heißt ›du gegen die Welt‹, setze auf die Welt. Andere, deren Stärke auf einer imaginären »Einheit« mit anderen in der Szene beruhte, gaben auf und assimilierten sich. Aragorn! schloss sich den Punks der 1990er Jahre an, die eine dritte Option suchten und versuchten, ihre Beziehungen unter ganz anderen Prämissen neu aufzubauen – das Beste aus Unabhängigkeit und Interdependenz zu vereinen. Er reiste in diesen Netzwerken durch die USA, lebte von Job zu Job und von Betrug zu Betrug, las die Situationist:innen und entwickelte seine Analyse.

Jahrzehnte später war Aragorn! immer noch von allem Lustigen und Lächerlichen am Hardcore begeistert. Aber er betrachtete die Hardcore-Szene auch mit gemischten Gefühlen. Gegen Ende der 1990er Jahre zog sich Aragorn! aus der Szene zurück, nachdem er wegen seines Verhaltens in sexuellen Beziehungen outgecalled wurde.1 Er erzählte später, dass ihn dies gelehrt habe, wie wichtig es sei, sich der Auswirkungen seines Handelns bewusst zu sein. Aber es unterstrich auch die Risiken dessen, was passieren könnte, wenn andere die Erzählung kontrollieren.

Dies ist wohl kaum die einzige Möglichkeit, Aragorns Jugend zu interpretieren. Aber es bringt einige wiederkehrende Themen auf den Punkt: Als armer Teenager aus dem Mittleren Westen im wohlhabenden Marin County ankommend, in überwiegend weißen Punk- und Anarchist:innenkreisen teilnehmend und als Nachkomme eines indigenen Volkes, das dem Genozid ausgesetzt war, erlebte Aragorn! wiederholt die Spannungen zwischen individueller und kollektiver Rebellion – und die Dynamik, die selbst Rebell:innen in Eingeschlossene und Ausgeschlossene teilt.

Aragorn! 1990.


Der Störenfried

Schneller Vorlauf ins 21. Jahrhundert. 2012 war anarchistnews.org zum wichtigsten Nachrichten- und Diskussionsportal einer anarchistischen Wiederauferstehung geworden, angetrieben von einer aufkeimenden aufständischen Strömung. Das Kollektiv um Little Black Cart veröffentlichte jeden Monat ein neues Buch. Doch obwohl die Infrastruktur, die Aragorn! und seine Gefährt:innen aufgebaut hatten, zentral für das war, was Tausende von Anarchist:innen in den Vereinigten Staaten taten, blieb er eine polarisierende Figur.

Das lag zum Teil an Gründen, die seiner Zeit vorausgingen. Murray Bookchins Streitschrift »Social Anarchism or Lifestyle Anarchism« hatte 1995 eine »unüberbrückbare Kluft« ausgerufen, indem sie allen Anarchist:innen, die nicht Bookchins spezifische Art von Anarchismus vertraten, eine erfundene Identität zu schrieb und versuchte, sie aus der historischen Tradition auszuschließen. Sogenannte »Lifestyle-Anarchist:innen« reagierten in gleicher Weise und lösten einen eskalierenden Konflikt aus, der viele Gruppen gegeneinander verbitterte, darunter AK Press und Anarchy: A Journal of Desire Armed. Aragorn! erbte diesen Konflikt – und umarmte ihn.

In diesem Kontext wählte Aragorn! einen grundlegend kämpferischen Ansatz für die Infrastruktur. Er wählte ein Ziel aus – fast immer etwas, das er als zahmes, konservatives anarchistisches Projekt wahrnahm – und versuchte, es mit seiner eigenen Version zu verdrängen. Als Ort für Nachrichten und Diskussionen sollte anarchistnews.org infoshop.org verdrängen, was auch gelang, als der Online-Diskurs antagonistischer wurde. In ähnlicher Weise ahmte Little Black Cart das Modell von PM Press nach. Im schlimmsten Fall war dieser Ansatz reaktiv und beschränkte seine Bemühungen darauf, bestehende Modelle zu imitieren, anstatt neue Experimente neben langjährigen anarchistischen Projekten zu etablieren.

Wann immer er mit einem Wettbewerb konfrontiert wurde, war Aragorn! entschlossen zu gewinnen. Wie er in »Be Relentless« erklärte:

»Dieses Engagement für Spannung, Wettbewerb und Konflikt […] macht mich im Allgemeinen zu einer nicht angenehmen Person, aber es macht mich großartig. Wenn ich mich einem Problem oder einem Interesse zuwende, habe ich das Gefühl, dass ich unerbittlich bin, wenn es darum geht, es anzugreifen, aufzubauen oder zu nähren. Ich habe meine Misserfolge (vor allem im zwischenmenschlichen Bereich) ernst genommen und suche weiterhin nach anderen unerbittlichen Menschen, mit denen ich mich umgeben kann. Ich denke, du solltest dasselbe tun.«

Es ist leicht, dies als bloßes Streben nach Macht abzutun. Aber die Logik hinter seiner Kampfeslust bedarf weiterer Überlegungen.

Erstens, wie er nicht müde wurde zu betonen, verfolgte Aragorn! eine andere Idee von Anarchie als seine Rival:innen. Er sah den Wert der Revolte eher als immanent denn als präfigurativ an – mit anderen Worten, er glaubte, dass ein Akt der Rebellion, um sinnvoll zu sein, einen intrinsischen Wert haben sollte, ohne die Gewissheit, dass es in der Zukunft Vorteile aus dieser Investition geben wird. Er war so misstrauisch gegenüber der Idee der Revolution als große Sache, der es zu dienen gilt, dass er oft Gefährt:innen, die ihre eigenen, selbst-gesteuerten Projekte verfolgten, beschuldigte, sich an etwas zu beteiligen, was er spöttisch als »Aktivismus« oder »strugglismo« bezeichnete. So erklärte er im Sommer 2018 gegenüber einem Interviewer:

»Für mich geht es bei der Idee, der schönen Idee, darum, wie man Ideen mit dem Leben verbinden kann. Es geht nicht um ‚den Kampf‘.«

In gewisser Weise ist das genau die Haltung, die Bookchin als »lifestylistisch« verunglimpft und als Kritik der Entfremdung verfeinert und theoretisiert hat. Aragorns Analyse könnte wahnsinnig inkohärent erscheinen.

Aber in diesem Streit geht es um mehr als um die Frage, was es bedeutet, subversiv zu sein. In Aragorns Schriften sehen wir, wie er die Übereinkunft selbst problematisiert und gleichzeitig eine agonistische Vision sozialer Beziehungen vertritt, die auf generativen Konflikten basiert. In einer Gesellschaft, in der das Festhalten an der Konsensrealität eines der Haupthindernisse für die Revolte ist, zielte er darauf ab, Unbehagen und Unfrieden zu fördern:

»Es sind die Polizist:innen, die umsetzen, die mittleren Manager:innen, die die Bedingungen ausarbeiten, die Lehrer:innen und Eltern, die uns davon überzeugen, dass es kein Äußeres gibt, und die Käufer:innen, Lohnarbeiter:innen und Demonstrierenden, die den Bedingungen der Vereinbarung zustimmen… Mein Gefühl ist, dass die Vereinbarung das Problem ist und der Prozess, durch den man herausfindet, worauf wir uns geeinigt haben, ist einer, durch den ich weiterhin verführt werden kann. Ich mag dich hassen, aber in deiner dummen, unüberlegten, unreifen, blöden Sehnsucht liebe ich dich immer noch. Beides ist gleichzeitig wahr.«

-Aragorn!, »As much as I hate you, work is worse« 4. Juli 2015

Die gleiche Ambivalenz in dieser Passage taucht an anderer Stelle wieder auf, wenn Aragorn! seine Gefühle zum anarchistischen Milieu beschreibt: »Offensichtlich ist es Liebe und Hass, aber wenn Liebe eine Entscheidung darüber ist, mit wem du leben und sterben willst… Ich bin immer noch hier.«

Aragorn! mit seinem Freund scott crow.

Wenn Übereinstimmung das Problem ist, wie verhält man sich dann gegenüber denen, die man liebt? Gegen Ende seines Lebens kehrte Aragorn! zu der Frage zurück, wie man die Grundprinzipien des Anarchismus beschreiben könnte und einigte sich auf »Angriff« als Ausdruck der Liebe:

»Ich wünsche mir Freiheit und denke, dass Zeit, Angriff und meine freiwilligen Vereinigungen notwendig sind, um sie zu erreichen. Bevor ich frei bin, denke ich, dass die Vorbedingungen der Freiheit es wert sind, methodisch durchzugehen, ich tue dies durch Veröffentlichungen, aber ich erkenne an, dass es bessere Wege geben kann, die eine andere soziale Organisation erfordern als die, zu der ich Zugang habe. Aber in diesem Raum der Schaffung von Voraussetzungen versuche ich, transparent, poetisch und offen zu sein, mit wem ich arbeite und wie wir es tun. Ich strebe eine Umgebung an, die eher ein Sowohl-als-auch als ein Entweder-Oder ist. Gleichgültigkeit, Ausgrenzung und Isolation sind Formen des Hasses. Angriff ist eine Form von Liebe.«

-Aragorn!, »Anarchist Principles redux«, 23. Oktober 2018

Dies sollte helfen, Aragorns hartnäckigen Contrarianismus zu verdeutlichen. Indem er das kämpferische Ethos der Hardcore-Szene, gefiltert durch Nietzsche, beibehielt, machte er sich daran, alles Gekünstelte und Pietistische in seinen Gefährt:innen wie auch in der Gesellschaft als Ganzes anzugreifen und zu kritisieren. Besonders verärgert war er über die performative Tugend und die manichäischen Vorstellungen von Gut und Böse:

»Eine allgemeine Feindseligkeit, die ich gegenüber vielen Anarchist:innen habe, ist die allgemeine Einstellung, dass Anarchist:innen dazu neigen, für gute Dinge und gegen schlechte Dinge zu sein… Wir sind gegen schlechte Dinge, also sind wir auch gegen uns selbst.«

»Sowohl/als auch« bedeutet, das Positive und das Negative, das Gute und das Schlechte anzuerkennen, die allesamt Ziele der Kritik sein können.

Kritik ist die Waffe der Wahl des Störenfrieds, eine Waffe, mit der er oft eine nützliche Rolle ausübt. Aber in einem Milieu, das auf ideologischer Übereinstimmung beruht, ist die Grenze zwischen Störenfried und Sündenbock sehr schmal.

Aragorn!


Der Sündenbock

Der Nonkonformist, dessen Trotz es ihm ermöglicht, mit der herrschenden Ordnung zu brechen, ihn aber letztendlich die Gesellschaft anderer Rebell:innen kostet: Das ist eine Geschichte, die viel älter ist als die anarchistische Bewegung.

Aragorn! verstand die Risiken, die damit verbunden sind, sich in Grollkämpfe zu verstricken. Er fasste vieles von dem, was er aus den Missgeschicken der vorherigen Generation von post-linken Anarchist:innen gelernt hatte, in einem Kiss-Off an Bob Black zusammen. Doch wenn du dieses Essay durchgehst und den Namen »Bob Black« durch »Aragorn!« ersetzt, klingt vieles davon immer noch wahr. Muster sind sehr schwer zu durchbrechen – wie Aragorn! oft betonte.

Aragorn! kämpfte mit dem Neid auf den Erfolg anderer und hatte aufgrund seiner Erfahrung Grund zu der Befürchtung, dass er sich isoliert und ausgeschlossen fühlen könnte, wenn andere die Erzählung kontrollieren könnten. Dies wurde zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung: was andere als seine Anhäufung von Macht ohne Rücksicht auf ihr Wohlergehen wahrnahmen, trieb sie dazu, Projekte zu etablieren, die keinen Platz für ihn ließen. Jedes totalisierende Modell, das es nicht schafft, das Ganze zu umfassen, ruft unweigerlich seine eigene Opposition hervor.

Aragorns verschiedene Konflikte mit anderen Anarchist:innen sind nicht so interessant wie die Tatsache, dass diese Konflikte nach einem so bekannten Muster abliefen, dass die Details praktisch unerheblich sind. Sturheit gibt und Sturheit nimmt. Ebenso beeilt sich in der klaustrophobischen Atmosphäre des Milieus jede jüngere Generation, die ödipalen Riten des Vatermordes zu wiederholen, was garantiert, dass sich der Kreislauf des Aderlasses wiederholt, sobald die nächste Generation erwachsen wird.

Dies fasst zusammen, was für ein Mensch Aragorn! war: er hat die Webseite für die Seattle Anarchist Book Fair weiter gehostet, selbst nachdem Little Black Cart nicht an der Buchmesse teilnehmen durften. Viele verschiedene Aspekte seiner Geschichte sind in dieser einen Anekdote verwoben.

In jeder Gruppe gibt es eine Person, die weithin als die Schlimmste von allen angesehen wird, die Abscheulichste. Sündenböcke haben die Funktion, dass alle anderen zusammenkommen und das Gefühl haben, dass sie etwas gemeinsam haben: Wenn sie sonst schon nichts gemein haben, dann immerhin, dass sie nicht der Sündenbock sind. Die anderen beeilen sich zu demonstrieren, wie sehr sie dazugehören, indem sie den Sündenbock mit Hohn und Spott überhäufen – bis eines Tages der Sündenbock nicht mehr da ist und die Rolle an den nächsten in der Reihe übertragen wird.

Wenn wir Teil einer Gemeinschaft wären, die durch mitfühlende und nachhaltige Wege der Beziehung verbunden ist, würden wir erkennen, dass der Sündenbock eine essentielle Rolle spielt, eine heilige Rolle. Wir würden Gewohnheiten haben, mit denen wir diejenigen, die in Gefahr sind, die Rolle des Sündenbocks einzunehmen, heimlich ehren und beschützen, ohne die Situation für alle Beteiligten explizit zu machen. Wir würden uns nicht beeilen, Sündenböcke auszugrenzen und zu isolieren, wir würden nicht überstürzen, wenn wir uns auch selber in ihrer Rolle wieder finden könnten. Indem wir diejenigen, die anders sind, sicher unter uns halten, halten wir uns selbst sicher. Das gilt auch für die Frustrierendsten, die Ausgefallensten, die Kontroversenreichsten.

Wie können wir kritisch sein, ohne Menschen auszuschließen? Wie können wir Raum für Unterschiede schaffen, ohne Toxizität einzuladen? Wie können wir ältere Generationen respektieren und sie weiterhin einbeziehen, ohne ihre Fehler zu verherrlichen? Wie können wir selbst Angriffe in einen Ausdruck der Liebe verwandeln? Dies sind die Fragen, denen wir uns stellen müssen.


Letztendlich war Aragorns Wettkampf nicht mit uns, sondern mit dem Tod. Er hatte ihn die ganze Zeit über verfolgt, tödlicher als das Szenedrama – genau das, was uns auch alle erwartet.

Wenn eine:r von uns stirbt, werden wir daran erinnert, wie sehr wir alle miteinander verbunden sind, wie sehr wir voneinander abhängig sind und einander als selbstverständlich ansehen, selbst diejenigen, die wir als unsere Feind:innen betrachten. Wir haben die Gelegenheit, unsere Wertschätzung und Fürsorge füreinander zu bekräftigen, um einander gerecht zu werden – sowohl den Lebenden als auch den Toten.

Wir halten das Andenken an Aragorn vor allem deshalb in Ehren, weil er so intensiv und leidenschaftlich gelebt hat – weil er seine Art zu sein auf die Spitze getrieben hat, indem er all ihre Vor- und Nachteile für alle sichtbar demonstriert hat, absolut einzigartig und unersetzlich. Wir können alle danach streben, das Gleiche zu tun, bevor unsere Zeit kommt.


»Vielleicht können wir eine Reihe von Gesprächen darüber beginnen, wie jede:r von uns, wie jeder Typ von Persönlichkeit und Fähigkeiten zu einem komplexen sozialen Umfeld beitragen kann, das die Liebe zur Schönen Idee teilt und andere respektiert, die das Gleiche tun. Vielleicht kann dieser Respekt etwas mehr bedeuten, als das Internet zu demonstrieren vermag. Ich weiß, dass für mich die Projekte dieser großen Gruppe von Menschen, die nach der Schönen Idee streben, immer interessant sind, auch wenn ich nicht mit ihnen übereinstimme.«

-Aragorn!, »Cooperation«), 22. April 2017

Aragorn! ist tot. Lang lebe die Anarchie!


Gekürzte Version des englischen Artikels. Übersetzung von Elany für den SchwarzenPfeil, leicht editiert.

  1. Alles, was wir über diese Zeit wissen, stammt aus Aragorns eigenen Berichten, da er offen darüber sprach. Unser Bemühen, Aragorns Leben, seine Leistungen und den tiefen Verlust zu würdigen, den diejenigen empfinden, die ihn überleben, soll niemanden diskreditieren, der/die durch ihn Schaden erlitten hat.